In der altehrwürdigen Große Freiheit 36 eröffneten Nestor am 15.10. Ihre Deutschlandtour „In The Name Of Rock’N’Roll“. Wobei… …eigentlich eröffneten Gun Called Britney die Tour. Logisch, als Opener ihr Job. Und den haben Hamburger ausgezeichnet erledigt. Das Heimspiel gelang.
Doch von Anfang an. Die Halle ist in Rotlicht getaucht, auf der Bühne huschen kurz vor Konzertbeginn schemenhafte Gestalten im Hintergrund hin und her. Aus den Lautsprechern klingt ein 80er Hit nach dem anderen. Ein musikalisches Schema, was den Abend dominiert. Das Publikum war vom Altersschnitt durchmischt. Junge Leute stehen neben Zuschauern, welche in den 80er schon feiern gingen. Zeitlose Musik macht so etwas aus, sie sorgt für ein Wir-Gefühl in das man für den Moment eintaucht. Würde man sich auf der Straße treffen, würde man sich siezen. Hier wird sich zwanglos geduzt.
Während meine Freunde schon einmal zur Bar gehen, hole ich mir vom Secu-Team kurz ein paar Infos. Fotoregeln wie immer, drei Songs ohne Blitz. Grabeneingänge kann ich beide nutze, den Fotorucksack dort in der bewachten Ecke ablegen. Es ist ein kurzes freundliches Gespräch. nach wenigen Augenblicken ist alles geklärt. Meine Kameras am Mann gehe ich zur anderen Seite des sich füllenden Saales zu meinen Freunden. Wir genießen früh da zu sein und einen schönen Platz vor der Bühne ergattert zu haben.
Kurz vor 19 Uhr bewegt sich die Vorband einmal quer durch die Halle. Die Bühnenoutfits passen zum Abend und ihrem Stil. Fühle mich spontan underdressed. Ein Gefühl das aber auch wieder verfliegt, leider erst auf dem Weg zum Auto.
Kurz darauf geht es los. Gun Called Britney spielen performen ihren Sleazerock. Es wird geposed und sich reingehängt. In die Höhe gereckte Gitarren, lässig schräg gehaltene Mikrofonständer… die Darbietung ist so herrlich übertrieben und agil, wie die Freude, die sie mit der Musik auslöst. Den Spaß an der Show und der Musik sieht man der Band dabei merklich an. Hätte man keine Smartwatch am Arm würde man sich wie in den 80ern auf einem Rockkonzert fühlen. (Denke ich mir in meinen postjungendlichen Leichtsinn…). Nachdem ihr Equipment von der Bühne geräumt wurde, passieren Gun Called Britney einmal den Fotograben auf dem Weg zur anderen Hallenseite. Dabei wird mit jedem Fan in der ersten Reihe interagiert, es ist eine la-ola-Welle der High Fives. So einfach kann Fannähe sein.
Nach einem kurzen Changeover, wieder musikalisch ausgeleuchtet von einschlägigen 80er Hits, betreten Nestor mit dem Intro die Bühne. Betreten beschreibt nicht auskömmlich, was geschah. Die Bühne einnehmen passt besser. Ein Hit folgt dem nächsten. Es wird geposed, ohne lächerlich zu wirken. Die Performance ist flüssig, die Freude den Bandmitgliedern anzusehen. Über den Köpfen der Band malen viele Laser Fächer in die Luft. Perfekte Ausleuchtung im Wechsel mit Gegenlichtelemten, rahmen die Band ein. Licht, Laser, Ton und Posen bilden eine Gesamtperformance, die ohne übertrieben zu wirken, mehr 80er ist, als die 80er selbst. Eine Neuerfindung oder Neuinterpretation der 80er, wenn man so möchte. Es ist mehr als eine Hommage an die Musik der Zeit, es ist eine Wiedergeburt.
Die Darbietung ist mit vermindert statisch unzureichend aber korrekt beschrieben. Etwas statischer wird es jedoch später im Set für zwei Songs. Eine kurzen Ausnahme, für welche ein kleiner Flügel auf die Bühne gerollt wird. Passend ergänzt von Kerzenleuchtern. Der Keyboarder bedient auch die Tasten des Flügels gekonnt. Vor dem Flügel sitzt der Sänger und widmet das erste Lied über bedingungslose Liebe der Tochter. Während der beiden ruhigen Stücke sitzen der Bassist und Gitarrist vor dem Schlagzeug. Der Bassist nippt mit merklichem Genuss an einem Glas Rotwein dabei. Etwas Pause muss ja auch mal sein.
Danach gibt die Band wieder alles. Kaum ist der Flügel von der Bühne gerollt, ist die Startbahn wieder frei. Nestor heben ein zweites Mal mit Vollschub ab. Die Freude an der Musik, der Interaktion mit dem Publikum, die Posen, es fügt sich zu alles zu einem stimmigen Bild. Der Abend war rund. Licht und Ton waren gut, die Band zum Tourstart fit und hochmotiviert. Das Publikum feierte die Hits mit und geht erfüllt heim. Irgendwo las ich von Nestor einmal „Formed by friends in 1989, reinvented in 2021.“ Das nehme ich ihnen nach diesem Abend ab.
Die Redaktion von Schall und Laut bedankt sich herzlich bei River Concerts dafür, mit Akkreditierung den Auftakt der Deutschlandtour begleiten zu dürfen. Besonderen für die freundliche Unterstützung im Vorfeld möchten wir uns bedanken.
Text und Fotos: JJ