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DRONE in Celles CD-Kaserne: Vollgas. Adrenalin. Abriss.

Als ich an diesem Black-Friday-Abend Richtung CD-Kaserne stapfe, frage ich mich kurz, ob Celle überhaupt bereit ist. Schließlich reden wir hier von DRONE – dem Celler Thrash-Metal-Export, der schon 2006 das Wacken Metal Battle abgeräumt hat und seitdem nicht nur lokale Hallen, sondern ganze Festivals umgepflügt hat. Und jetzt sind sie wieder auf heimischem Boden. 

Noch bevor ich die Halle richtig betrete, gibt’s den ersten Pluspunkt des Abends: kostenlose Ohrstöpsel am Eingang. Ziemlich cool – vor allem, weil meine gemütlich zu Hause liegen…

Drinnen herrscht eine angenehm gelöste Stimmung. Die CD-Kaserne füllt sich nach und nach und überall spürt man die Vorfreude auf das, was gleich kommt. Es riecht nach Erwartung, nach Energie, nach „gleich geht’s los“. Und irgendwo zwischen Bar, Bühne und Merch-Bereich taucht dieser Gedanke auf: Heute passiert hier etwas – und ich bin mittendrin.

Bloodfang – Special Guest aus Berlin

Punkt 20 Uhr geht das Saallicht runter – und Special Guest Bloodfang betritt die Bühne. Ich habe vorher gehört, dass die Berliner nicht gerade für Zurückhaltung bekannt sind, aber was dann passiert, ist eher Kategorie: „Na gut, jetzt wird’s interessant.“

Zwischen Sakralem und Splatter

Bloodfang – diese Mischung aus Blackened Thrash, Punk und Hell’s Rock’n’Roll, gegründet von den Brüdern Evan und Rodney – stehen zwar erst seit 2023 auf den Bühnen, benehmen sich aber, als hätten sie das ganze Jahrtausend gewartet, um genau heute genau hier zu explodieren. Und das tun sie auch. Ihre EP von 2025 hat ja schon angedeutet, wie sehr sie dem rotzigen Midnight-Sound verpflichtet sind… aber live fühlt es sich eher an wie 20 Kreissägen, die sich durch den Untergrund brechen.

Das Ritual beginnt 

Um 20:16 Uhr beginnen die Glocken zu läuten – richtig sakral, richtige Gänsehaut. Dann diese Orgelgesänge, schön getragen, schön heilig… bis plötzlich ein Tritonus alles kaputtbricht, als würde jemand der heiligen Stille einfach den Stecker ziehen. Genau in dieses Chaos marschiert die Band.

Blut, Reagenzglas und Ekstase 

Der Drummer lehnt sich zurück, als wolle er sich erst einmal genüsslich in die Szene fallen lassen. Dann wird ihm ein absurd langes Reagenzglas gereicht – halb Laborutensil, halb Horrorfilmrequisite. Er nimmt es mit einer Selbstverständlichkeit entgegen, die fast unheimlich wirkt und bevor ich realisiere, was hier abgeht, verschwindet das Teil in seinem Hals. Im nächsten Moment fließt Blut. Das Publikum eskaliert, ich zucke kurz und die Band erscheint plötzlich wie eine Mischung aus King Diamond und Alice Cooper in ihren besten Zeiten.
Der Moment pendelt zwischen Schrecken, Show und cleverer Performance und ich denke mir: Hier ist nicht nur das Blut Kunst.

Der Track „Bloodfang“, Titelstück ihrer EP, entfaltet dann sein volles Ritual: rotes Licht, Donnergrollen und ein Publikum, das definitiv nicht mehr stillstehen kann. Ich weiß, dass sie dieses Spektakel öfter bringen – aber hier, mitten in Celle, wirkt es, als würde die CD-Kaserne für ein paar Minuten zur Unterwelt mutieren.
Und ja – die Band nimmt mich mit. Diese eigenwillige Mischung aus Rock’n’Roll, Metal und dreckigem Punk macht einfach Spaß. Sie heizt der Menge ein, ohne Rücksicht auf Verluste. Manchmal braucht es eben auch Special Effects, um den Abend richtig in Gang zu bringen.

Gorilla Monsoon – Die Dampfwalze aus Dresden

In schwerem, getragenem Dampfwalzen-Sound wuchtet sich die nächste Band auf die Bühne: Gorilla Monsoon. Genau so fühlt es sich an: wie eine tonnenschwere Maschine, die langsam hochfährt, einmal tief durchatmet – und dann alles plattwalzt, was ihr im Weg steht.

Der Sound einer Stahlwalze 

Die Jungs aus Dresden sind seit den frühen 2000ern unterwegs und man merkt sofort, dass sie genau wissen, wie man einen Raum in Schwingung versetzt. Ihr Mix aus Doom, Stoner und einer ordentlichen Ladung 70er-Heavy-Rock rollt in die Halle wie eine Mischung aus heißem Bühnenlicht, vibrierendem Holz und Amps, die schon einiges erlebt haben. 

Schwere Riffs, tiefer Groove

Keine Hektik, kein Gefrickel, kein unnötiger Schnickschnack – nur schwere Riffs, viel Druck und ein Groove, der sich langsam, aber unaufhaltsam durch die Menge frisst.
In Summe ein starker Auftritt – einer, der dem Abend für einen Moment eine wohlverdiente Verschnaufpause gönnt, ohne dabei an Wucht oder Wirkung zu verlieren.

DRONE betreten die Bühne.

„A Gringo Like Me“ eröffnet die Show: Die Band steht mit dem Rücken zur Crowd, ganz versunken in diesen Western-Klassiker, der den Raum plötzlich ruhig und fast feierlich werden lässt. Es fühlt sich an wie die letzte stille Sekunde, bevor ein gewaltiger Sturm losbricht. Dann, ganz in alter DRONE-Manier, löst sich die Szenerie auf – nicht abrupt, sondern herrlich brachial. Die Band dreht sich um, Gitarrist Marcelo zeigt die Horns, und Sänger Mutz tritt ans Mikro, macht eine kurze Pause, als wolle er die Spannung genießen, und sagt:
„Wir sind DRONE – und jetzt wird gef….“
Der Saal explodiert.

Als Opener feuern DRONE „Deepest Red“ raus – und der Effekt ist sofort spürbar. Kaum setzt das Riff ein, fällt die ganze Halle in ein gemeinsames Kopfnicken, als hätte jemand einen unsichtbaren Schalter umgelegt. Die Energie schießt von der Bühne direkt in die Menge, und man merkt: Alle hier haben Bock auf die volle Dröhnung DRONE. Als Nächstes schieben sie „Motor Heavy Pisstake“ hinterher. Die Riffs werden dreckiger, die Stimmung wilder, das Tempo höher. Mit „Welcome to the Pit“ kommt dann endgültig Bewegung ins Spiel. Der Song ist dafür gemacht – und entsprechend bildet sich sofort der obligatorische Moshpit. Die ersten Reihen reißen auf, Körper prallen aneinander und die Energie schwappt wie eine Welle durch die Halle.
Nach all der entfesselten Energie feuern DRONE ihren neuesten Track raus: „Under the Blood Red Sun“. Der Song ist erst seit dem 2. Mai draußen, aber live zündet er, als gehöre er schon immer fest ins Set.

Postapokalyptische Visionen

Inhaltlich erzählt der Song von einer düsteren Zukunft, in der künstliche Intelligenz die Kontrolle übernommen und die Menschheit ausgelöscht hat. Er zeichnet das „Alltagsleben“ der Maschinen in einer zerstörten Einöde nach – begleitet von rückblickenden, beinahe melancholischen Momenten, in denen deutlich wird, wie aus Werkzeugen des Fortschritts die Architekten des Untergangs geworden sind. 

Mit „Format C“ und „Making Believe“ geht die wilde Fahrt direkt weiter. Erst wirkt alles schwebend und entrückt, dann kommt wieder der volle Einschlag – als würde DRONE für einen Moment den Blickwinkel kippen, nur um uns im nächsten Augenblick wieder mitten in den Sturm zu schleudern.Making Believe“ triggert bei mir sofort den Country-Klassiker von Jimmy Work – ein Song über Liebe, die in der Luft hängt, aber nie ankommt. DRONE haben damit natürlich nichts zu tun, auch wenn hier ein paar Country-Anleihen aufblitzen. Ihr „Making Believe“ klingt eher so, als hätte ein staubiger Cowboy eine Nacht mit einer waschechten Teufelin verbracht – knallhart, wild, aber auch seltsam liebenswert. Ein Song, der einem charmant den Hut vom Kopf bläst.

Na wen haben wir denn da?

Es ist mittlerweile Viertel vor elf, Mutz wischt sich den Schweiß von der Stirn, greift nach seinem Bier und kündigt den nächsten Song an:
„Das ist eigentlich der Moment, in dem Britta Görtz auf die Bühne kommen könnte… aber bleib du unten und genieß den Abend.“
Gemeint ist natürlich „Darkness“, der Track, zu dem Britta ihr brutales Feature beigesteuert hat. Der Song beginnt ungewohnt ruhig, mit schwebenden Gitarrenvibes – eine kurze Illusion von Entspannung, bevor er einem dann im nächsten Moment kompromisslos durchs Gehirn bläst. Britta kommt an diesem Abend tatsächlich nicht auf die Bühne. Sie hat eine andere Idee: kleine Anekdote – die Frontfrau von HIRAS, liebevoll auch Elchkuh genannt, weil sie shoutet und growlt, sodass sich jeder Elch fürchten würde, schnappt sich kurzerhand die Kamera unseres Fotografen Jan und hält das Rohr mitten in den Pit. Ungeplant, lässig – genau der Stoff, aus dem unvergessliche Konzertmomente sind.

Brittas Foto Brittas Foto

(Fotos: Britta Görtz)

Finaler Ritt in den Westen

Es folgen weitere Banger wie „For Torch & Crown“, „T.I.A.“ und „Croak in Your Waste“. Die Crowd feiert, als gäbe es kein Morgen – und die Stimmung schießt noch mal spürbar nach oben. DRONE lässt zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran, wer hier in Celle den Ton angibt.
Ein letztes Mal an diesem Abend werden wir in den Wilden Westen entführt:
„Hammered, Fucked and Boozed“ – begleitet von fröhlichem Kuhglockengeläute und dem obligatorischen „Wie macht die Kuh?…“

Ein denkwürdiger Abend geht zu Ende und ich freue mich aber sowas von, dabei gewesen zu sein.

“Schall und Laut” bedankt sich beim Event-Management der CD-Kaserne für die Akkreditierung und den freundlichen Empfang.

Text: H. J.
Fotos: J. J.

 

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